Zimmer #5
Video © Yves Itzek
Tonino Guerra L’equilibrio, Bompiani, Milano 1967
literarische Übersetzung: Elsbeth Gut Bozzetti
cap. X, fine, p. 142-143
Zum Beispiel
manch einer weiß nicht wohin
und rennt los, um gleich dort zu sein.
Auf der einen und auf der anderen Seite niedrige, schwarze Häuser. Offene Fenster. Das Innere dunkel, Fernsehapparate eingeschaltet. Der Galopp eines Westerns und auch Schüsse, Schüsse. Bis schließlich die Erde unter den Füßen zu beben begann. Da hab´ ich mich daran gemacht, Felder zu durchqueren, Gräben und auch lange Plätze voll Schlamm. Es zitterten auch die Zweige des Waldes, durch den ich jetzt ging. Und auch die Schüsse hatten zugenommen. Die Geschosse pfiffen durch die Luft. Also fange ich an, zu laufen und schlage den Kopf gegen die Baumstämme. Hinten im Wald komme ich auf eine Lichtung, die schon von einer Morgendämmerung voller Wind erhellt ist. Und durch die Luft flogen Papier und Geschosse. Mit hocherhobenem Kopf und ohne Angst bewege ich mich inmitten dieser umherfliegenden Dinge. Als wüsste ich, dass die Geschosse mich nicht treffen würden. Die deutschen Soldaten hingegen fielen zu Boden. Schrien. Ich
schaue mich nach den Schafen um. Steige über blutige Münder, Arme, die aus der Erde ragen und umgekippte Lastwagen. Ich finde die Schafe, die am Graben entlang grasen und da ist auch der Hund, der nicht will, dass sie das Korn fressen. Ich setze mich zu dem Hund, um das ungehorsame Schaf zu sehen. Das drittletzte der Reihe streckt tatsächlich sein Maul vor und versucht, Korn zu fressen. Der Hund springt es an und beißt. Dann kommt er zu mir zurück. Ich stehe wieder auf. Gehe wieder durch den Rauch. Stolpere. Sehe einen Arm mit einem Dolch vorbeigehen. Komme zu einem Haus. Gehe die Treppe hoch. Trete ein. Da sind die Teller voller Suppe. Ich finde das Silberbesteck und auch den Platz, auf dem ich sitzen soll. Dann kommen die deutschen Piloten in der braunen Ledermontur. Ich esse mit ihnen weiter. Wir sind inzwischen Freunde. Ich weiß auch, dass einer mir mit der Hand auf die Schulter klopfen muss. Er vergisst es. Also gehe ich zu ihm und lass mir von ihm mit der Hand auf die Schulter klopfen. Renne mit ihnen aus dem Haus. Helfe ihnen, die Tarnnetze von den Flugzeugen zu ziehen. Sie fliegen los. Der Feldwebel mit dem Sidecar kommt, aber ich lass nicht zu, dass er mich am Kragen packt und auf das Motorrad lädt. Mit einem Sprung sitze ich im Sidecar. Wir fahren los. Fahren durch einen anderen Wald, dann über verschiedene Landstraßen. Bis wir in das kleine Konzentrationslager kommen. Ich sehe die Asche. Sehe Violini wieder, den polnischen Pfarrer, den Elefantenmann, die Frau, in die ich mich verlieben werde und alles andere, Krähen eingeschlossen. Der Offizier tritt mit dem Kohlkopf aus dem kleinen Haus. Reißt die Blätter mit dem Haken ab und gibt sie uns. Fordert mit einem Lächeln: heraustreten, wer die Uhr gestohlen hat. Alle Häftlinge um mich herum zittern vor Angst. Ich nicht, ich lache. Denn ich weiß, dass ich davonkommen werde. Ich werde davonkommen.